Wohin mit mir?
"Wohin mit mir?", hörte er sich sagen, als er da so verloren beim Abendbrot saß, an jenem großen Holztisch mit der alten Stereoanlage im Rücken, welche gerade irgendeinen Jazz-Song des mittleren 20. Jhd. spielte. Er träumte, schon wieder, drifting away. Er malte sich aus, was werden könne. Was er werden könne.
Wissenschaftlicher schien ihm eine gute Lebensaufgabe zu sein. Wissenschaftler mit Lehrbefähigung, an einer Universität. Seiner Universität. Ob das klappen wird? Wahrscheinlich nicht. Er wusste nur zu genau wie alt er war, zu alt um noch zu promovieren - zusätzlich gab sein Lehrstuhl nichts mehr her und: da klingelte das Telefon. Wer wollte denn jetzt, in dieser Situation und um diese Zeit, etwas von ihm wissen?
ZPK war dran. Es ging um die Pläne. Meils hatte die Pläne schon längst wieder vergessen. "Welche Pläne" dachte er im ersten Moment als ZPK mit seiner viel zu schnellen Art des Redens über ihn herein brach. Doch dann dämmerte es ihm. Die Pläne für die Maschine. Die Maschine machte Meils angst. Nicht dass er oft angst hatte oder überhaupt ein ängstlicher Mensch war. Nein, sicher nicht. Aber immer wenn es um die Maschine ging, da kam ihm ein alter Song des Dark Waves in den Sinn, der da ging:
Die Maschine, einst in Gang gebracht...
Weiter wusste er den Text nicht mehr. Auf jeden Fall konnte Sie keiner mehr stoppen, die Maschine verschlang ihre Erfinder. So wie die Zeit. Die Zeit, sie quält uns.
Genug, dachte Meils. Fiebrig komatös war er nun aus seinem Schlaf gerissen worden. Eingeschlafen war er wohl nach dem Telefonat mit ZKP. Aber warum? Er wusste es nicht. Ein Cold Turkey meldete sich. Meils war schon ewig Heroinabhängig. Ziemlich unschön in seiner Position. Aber er lebte gesellschaftlich integriert und schaffte es seit Jahren, seine Sucht und ihre Folgen vor seinen Mitmenschen zu verstecken. Klar musste er dafür Kompromisse eingehen, aber was tut man nicht alles für die Sucht. Alles. Das wusste Meils. Deshalb spielte sich auch eine Szene aus einem alten Film in seinem Kopf ab, eine Fixerin trifft ihren Dealer und kauft Heroin. Im Hintergrund läuft Waiting for my Man der Velvet Underground und damit quasi der Soundtrack zu seinem Leben.
Leben?
Eigentlich war er bereits tot. Ein Pankreas-Karzinom wuchs und gedieh, allerdings bisher völlig vor Meils versteckt. Der große Nachteil an dieser Krankheit ist, dass man sie nicht bemerkt, und wenn man sie bemerkt, nur noch sehr kurze Zeit zu leben hat. Aber wie schon gesagt, dies alles wusste Meils noch nicht und so beschloss er, seinen Dealer zu treffen und etwas Zeug zu kaufen. Er nannte es Zeug, ein Überbleibsel aus den alten Kiffer-Tagen...
[TBC]
Dieser Text ist nicht autobiografisch.
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